Die Kontrolldichte im Maßregelvollzug und der Sicherungsverwahrung und in der Untersuchungshaft
Thomas Henning
Bedeutung, Maßnahmen und Herausforderungen
Der Maßregelvollzug ist eine besondere Form der Unterbringung für Personen, die aufgrund psychischer Erkrankungen oder Suchterkrankungen Straftaten begangen haben und als nicht oder vermindert schuldfähig gelten. Diese Personen werden anstatt in einem klassischen Gefängnis in speziellen Einrichtungen untergebracht, wo sie gleichzeitig therapeutische Maßnahmen erhalten, um ihre psychische Gesundheit zu verbessern und ihre Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen
Neue Entscheidungen verdeutlichen die innewohnende Problematik des Ganzen. Das OLG Frankfurt 3. Strafsenat Entscheidungsdatum: 21.01.202 Aktenzeichen: 3 Ws 548/24 hat hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit langandauernder Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus über den Zeitraum von zehn Jahren hinaus festgestellt, dass die Verhältnismäßigkeit der weiteren Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist dann nicht mehr gegeben ist, wenn von dem an einer paranoiden Schizophrenie leidenden Untergebrachten zwar noch die hohe Gefahr der Begehung oder Teilnahme von/an Verbrechen [(schwere) räuberischen Erpressung] zur Beschaffung von Geldmitteln für Drogen und Glücksspiel droht, aber nicht festgestellt werden kann, dass die allein durch seine physische Präsenz und sein aggressives Erscheinungsbild vorgenommene oder zur erwartenden Drohung tatsächlich zu schweren psychischen Schäden bei den bisherigen Tatopfern geführt hat oder solche schweren Schäden bei zukünftigen Tatopfern bewirken würde und es keine belastbaren Anhaltspunkte für eine weitere Eskalationsgefahr gibt.
Das LG Marburg, dort die 7. Strafvollstreckungskammer Entscheidungsdatum: 04.06.2024 Aktenzeichen: 7 StVK 107/23 hat die durch Urteil des Landgerichts Landshut vom 25.07.1988 angeordnete Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird für erledigt erklärt. Der Entscheidung vorrausgegangen war ein jahrelanges Hin – und Her, zwischen dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main und der Strafvollstreckungskammer. Das OLG Frankfurt am Main hob alle Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer auf. Das, was lange währt, währt gut? Das Bundesverfassungsgericht hebt mit Beschluss vom 14. Februar 2025 - 2 BvR 444/21 - - 2 BvR 533/23 - Tenor: Die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Februar 2021 - 3 Ws 217+218/20 - und vom 23. März 2023 - 7 Ws 263+292/22 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 Satz 1 und Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes, auf.
Das, was das Bundesverfassungsgericht dem OLG Frankfurt (erneut) ins Stammbuch schreibt liest sich dann wie folgt: Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 11. Februar 2021 begegnet durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, weil er der verfassungsrechtlich gebotenen Begründungstiefe nicht genügt und auch der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts vom 23. März 2023 genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründungstiefe. Das Oberlandesgericht meint im Wesentlichen, dass der Beschwerdeführer eine ganze Reihe an Auffälligkeiten der Persönlichkeit (schizoide und dissoziale Persönlichkeitsanteile beziehungsweise -züge sowie eine Vergewaltigungsdisposition) aufweise, die zwar für sich genommen keine Diagnose im Sinne der ICD-10 beziehungsweise des DSM-5 rechtfertigten, in der Gesamtschau allerdings aufgrund ihrer Ausprägung und ihres Schweregrads sowie vor dem Hintergrund der begangenen Taten dazu führten, dass normativ eine psychische Störung anzunehmen sei. Und weiterhin: Diese Auffassung hat es jedoch nicht mit der den strengen verfassungsrechtlichen Maßstäben entsprechenden Sorgfalt begrün-det.
Die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Marburg und die dort tätigen Richter, die sich Jahr für Jahr darum bemüht haben, dass den verfassungsrechtlich garantierten Rechten des Betroffenen genüge getan wird, sind jedes Mal an der Dilletanz und Unfähigkeit der Richter am OLG, die hier entscheiden haben gescheitert. Warum? Vielleicht einfach deshalb, weil im Verfahren der sofortigen Beschwerde, aus wenig nachvollziehbaren Gründen, verfassungsrechtliche Aspekte ausgeblendet werden.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main und weitere Entscheidungen
So auch schon mit Beschluss vom 21. September 2023 - 2 BvR 825/23 wurde das OLG Frankfurt bezüglich der Fortdauer der Untersuchungshaft unter anderem wie folgt gewürdigt: Die überlange Dauer des Haftprüfungsverfahrens verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Das Oberlandesgericht hat dem Beschwerdeführer faktisch nicht nur die gesetzlich vorgesehene Sechsmonatsprüfung bezüglich des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen der Untersuchungshaft genommen, sondern auch die gesetzlich vorgeschriebene Nachprüfung nach neun Monaten. Die vom Oberlandesgericht angeführten Gründe für die Verzögerung hat der Beschwerdeführer nicht zu vertreten. Sie sind nicht geeignet, eine Verzögerung der Entscheidung über mehrere Monate zu rechtfertigen.
Auch im Verfahren 2 BvR 1853/20 ist es wieder das OLG Frankfurt am Main, dass auszugsweise wie folgt belehrt wird: Die zugehörigen Ausführungen müssen in Inhalt und Umfang eine Überprüfung des Abwägungsergebnisses am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für den Betroffenen selbst, sondern auch für das die Anordnung treffende Fachgericht im Rahmen einer Eigenkontrolle gewährleisten und in sich schlüssig und nachvollziehbar sein (vgl. BVerfGK 7, 421 <429 f.>; 15, 474 <481 f.>). Die fachgerichtlichen Ausführungen müssen hierzu die maßgeblichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend berücksichtigen und regelmäßig auch den gegen das Vorliegen eines Haftgrundes sprechenden Tatsachen Rechnung tragen, um die (Prognose-)Entscheidung des Gerichts auch intersubjektiv nachvollziehbar zu machen (vgl BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. September 2018 - 2 BvR 745/18 -, Rn. 31; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 18. Februar 2020 - 2 BvR 2090/19 -, Rn. 54; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. April 2020 - 2 BvR 225/20 Rn. 63). Diesen Vorgaben genügt der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nicht. Das Verfahren ist nach Eingang der Anklageschrift beim Landgericht nicht in der durch das Gewicht des Freiheitseingriffs gebotenen Zügigkeit gefördert worden. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zeigt keine besonderen Umstände auf, die die Fortdauer der Untersuchungshaft verfassungsrechtlich hinnehmbar erscheinen lassen, und wird damit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Begründung von Haftfortdauerentscheidungen nicht gerecht.
Ich schwöre, das Richteramt getreu dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und getreu dem Gesetz auszuüben, nach bestem Wissen und Gewissen ohne Ansehen der Person zu urteilen und nur der Wahrheit und Gerechtigkeit zu dienen, so wahr mir Gott helfe.
Nun Gott, wenn denn darauf geschworen wurde, die Schwurformel muss keine Berufung auf Gott enthalten, hat hier offensichtlich nicht zu der Erkenntnis verholfen, dass das Richteramt strikt getrennt von politischen oder sonstigen Einflüssen, nur dem Gesetz unterworfen ist.
Die mit einer solchen Rechtsprechung einhergehende Verwahrlosung des Rechts schlechthin mag nicht nur unerträglich erscheinen, sie ist es. Weshalb Richter weiterhin am Oberlandegericht tätig sein können, obwohl Ihnen das Bundesverfassungsgericht solcherart schwerwiegende Säumnisse zuschreibt, liegt auch daran, dass diese Richter in Ihrer Selbstherrlichkeit und dem Nimbus und dem Glanz ihres Amtes zu glänzen versuchen, in der Realität, nicht einmal in der Lage sind, Entscheidungen verfassungsrechtlich unbeanstandet zu begründen. Dies ist nicht nur In Hessen der Fall.
Insbesondere bei Fortdauerentscheidungen betreffend die Unterbringung nach § 63 StGB und auch bei Verfahren betreffend die Fortdauer der Untersuchungshaft besteht nicht nur eine Tendenz, sondern in der Sache offensichtlich, eine feste Struktur, alles zu tun, damit die verfassungsrechtlichen Aspekte ausgeblendet und somit Menschen weiterhin eingesperrt werden.
So meinte unlängst ein Oberlandesgericht in Bayern, das der Haus- und Hofgutachter für Überprüfungsverfahren nach § 63 StGB, der im Beschwerdeverfahren nachweislich gelogen hat, dass sich die Balken nicht nur verbogen, sondern brachen, dies unbewusst getan hätte. Die Frage, was eine unbewusste Lüge ist, wird noch zu klären sein. Aber auch ein Richter an Landgericht in Bayern, meinte in einem Verfahren wo es um die angestrebte Verlegung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten ging, dass die Zugehörigkeit einer Rechtsanwaltskanzlei zum Kartell gegen § 63 StGB von diesem mal erörtert werden müsse. Dies liest man dann mit dem notwendigen Humor, die angedachte Verlegung wurde für verfassungswidrig erklärt. Dies erklärt sich vielleicht auch in dem Kontext, dass derselbe Richter bei einer recht einfachen Entscheidungsfindung in Bezug auf die Einsichtnahme in die Patientenakte zunächst meinte, dass das Handeln der Klinik nicht zu beanstanden sei, dann jedoch vom Oberlandesgericht im Rechtsbeschwerde-verfahren angemahnt wurde, sich vielleicht auch einmal an die bestehende Rechtsprechung zu halten.
Wird fortgesetzt.