In Ihrem Interesse

Der Kommentar

Der Kommentar !!!

Thomas Henning

 

Es hat lange gedauert, aber nun ist es geklärt. Das Buch die „schwarze Liste“ herausgegeben vom Underdog Verlag wird nicht mit schwarzen Balken versehen. An sich sind solche Verfahren nichts Besonderes, sie passieren und sind auch dann sinnvoll, insbesondere wenn es um die Persönlichkeitsrechte von Menschen geht. Dieser „Fall“ hat so seine besonderen Besonderheiten. Die Humanistische Union Marburg, deren zweiter Vorsitzender der hier vertretende Anwalt ist, bringt sich regel-mäßig, mittels Veranstaltungen, zu allen möglichen Themen ein. So auch vor einigen Jahren zu Gutachten im Rahmen der Unterbringung von Menschen im Maßregelvollzug – insbesondere nach § 63 StGB. Es sei hier außer Frage gestellt, dass viele Gutachten – insbesondere in der heutigen Zeit – als eine Art von Massenproduktion erscheinen – und – oft auch inhaltlich viele Fragen aufwerfen. Darüber kann man sich auch trefflich streiten.

 

Aber in jener Veranstaltung wird ein Mandant des Anwaltes unter voller Nennung dessen Namens in den Focus der Veranstaltung gezogen und sodann werden Teile des Gutachtens unter ausdrücklicher Einbringung des originären Inhaltes langatmig referiert. Ob dies dem Interesse des Untergebrachten dienen kann sei hier dahingestellt. Aber es entspricht offenbar dem damit verbundenen Zweck. Der Anwalt sucht mittels seines Mandanten die Öffentlichkeit. Das kann eine gute Werbung sein. Auch vor einer nicht öffentlichen Anhörung vor dem Landgericht Marburg, gibt der Anwalt dann noch ein Interview und wen wundert es, auch erneut unter vollständiger Namensnennung des Mandanten. Die Frage ob es hier ums „Geschäft geht“ oder um den Mandanten, muss hier ganz sicher nicht beantwortet werden.

 

Weitab von alledem versucht Bianca mit ihrem bei dem Underdog Verlag erschienenen Buch „die schwarze Liste“ aufzuzeigen wie im Rahmen der Unterbringung nach § 63 StGB verfahren wird. Damit zugleich versucht sie auf die Situation ihres Bruders und anderer Betroffener, unter anderem auf den Mandanten des Anwaltes, aufmerksam zu machen. So könnte man meinen, dass die beiden ein und dasselbe Ziel verfolgen, Öffentlichkeit für ein Thema zu generieren, dass in der Öffentlichkeit selten Anklang findet, mal abgesehen von dem Hype um die Unterbringung von Gustl Mollath und einigen anderen bekannten Fällen. Aber Bianca geht es nicht um eine Öffentlichkeit, welche dazu führen soll, dass möglichst viele in der Unterbringung Einsitzende diese beauftragen, was hier ein unabweisbarer Nebeneffekt ist, sondern darum – darzustellen und abzubilden was aus ihrer Sicht falsch ist. Der Underdog Verlag gemeinnützig und für solche sensiblen Themen, einer der wenigen Verlage die dazu publizieren, erhält dann nach der Veröffentlichung dieses Buches eine Abmahnung. Der Anwalt wendet sich mit Schreiben vom 26.06. 2017 an den Underdog Verlag mit einer Abmahnung und fordert den Verlag auf, mangels Zustimmung seines Mandanten, einem Beseitigungsanspruch zu generieren. Nachdem dann diesem Ansinnen nicht gefolgt wurde, erhebt der Anwalt dann 18.07. 2017 Klage, verbunden mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe, für seinen Mandanten. Wohlgemerkt den Mandanten, den er im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung der Humanistischen Union in Marburg am 06.10. 2016 seitens der Referentin nicht nur namentlich in die Öffentlichkeit brachte, sondern darüber hinaus auch zuließ, dass Inhalte des Gutachtens originär vorgetragen wurden. Und am 06.10. 2021 gab dann der Anwalt auch unter voller Namensnennung ein Interview, bezüglich dessen warum sein Mandant seit Jahren zu Unrecht in der Psychiatrie untergebracht sei. Auch der Mandant selbst geht an die Öffentlichkeit.

 

Am 07.11. 2017 beschließt dann das Landgericht Frankfurt am Main Aktz.: 2-03 O 275/17 der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Anwaltes hin, wird diese dann am 12.12. 2017 durch das LG Frankfurt abgewiesen.

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main beschließt dann am 18.01. 2022 die Abweisung der sofortigen Beschwerde.

 

Das Landgericht und insbesondere das Oberlandesgericht haben hierzu eine deutliche Interpretation vorgenommen. Aber ist das genug? Ich meine Nein. Der sich als Robin Hood stets präsentierende Rechtsanwalt, der sich in seiner Funktion als 2. Vorsitzender der Humanistischen Union in Marburg eine Bühne der Öffentlichkeit geschaffen hat, auf der er vordergründig sein kritisches Engagement werbewirksam zu zelebrieren sucht, hat hier in der Sache eine beachtliche Niederlage erlitten. Auszüge aus der Entscheidung des OLG Frankfurt am Main belegen dies mit Nachdruck.

 

Die Entscheidung !!!

 

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 07.11.2017 (Az. 2-03 0 275/17) wird zurückgewiesen. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (nachfolgend: Antragsteller) begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage auf Unterlassung und Abmahnkostenersatz gegen die Antragsgegnerinnen und Beschwerdegegnerinnen (nachfolgend: Antragsgegnerinnen). Der Antragsteller befindet sich seit Mitte 2013 im Maßregelvollzug gemäß S 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus. Seines Erachtens ist die Unterbringung zu Unrecht erfolgt.

In einem auf YouTube veröffentlichen Video mit dem Titel „Menschenrechtsverletzungen durch psychiatrische Gutachten - Eva Schwenk der Humanistischen Union über eine von dieser am 24.10.2015 abgehaltene Veranstaltung zitiert die Psychologin Eva Schwenk umfangreich unter Nennung des Vor- und Nachnamens des Antragstellers aus dessen Akte. Sein Verfahrensbevollmächtigter, der seinerzeit zweiter Vorsitzender der Humanistischen Union war und den Antragsteller auch im Maßregelvollzug vertritt, saß zwei Plätze neben der Psychologin am Podiumstisch. Anlässlich einer Anhörung im Maßregelvollzug gab er am 06.10.2016 unter Angabe des vollen Namens des Antragstellers ein Interview. Auch dieses Interview wurde von der Humanistischen Union aufgezeichnet und unter dem Titel „Rechtsanwalt zum Fall XY“ auf YouTube veröffentlicht. Der Bruder der Antragsgegnerin zu 1 ist ebenfalls seit Jahren im Maßregelvollzug in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht. Dies kritisiert die Antragsgegnerin zu 1 in ihrem von der Antragsgegnerin zu 2 Anfang 2017 herausgegebenen Buch „Die schwarze Liste - Nazi Paragraf 63 StGB weggesperrt und weggespritzt'. Darin heißt es unter anderem (die streitgegenständliche Äußerung ist durch Unterstreichung hervorgehoben, vgl.

„l.. J Michael [der Bruder der Antragsgegnerin zu 1] ist eines der vielen Opfer der Psychiatrie. Wegen eines unbedachten Faustschlages eingesperrt, mit Mördern und Kinderschändern, auf der Suche nach einer nicht vorhandenen Krankheit.

Niemanden scheint dies zu interessieren, alle schließen die Augen und denken: Nie im Leben geschieht so etwas in Deutschland.

Und es gibt viele „Michaels".

Nehmen wir XY, er wurde in einer dieser Anstalten zu Tode gefoltert jedoch wurde der Mord im Fall von als Einzelfall abgetan. Doch er ist kein Einzelfall. Die Dunkelziffer von Menschen, die durch Maßnahmen in der Psychiatrie zu Tode kamen, kann man nicht erahnen.

Oder nennen wir XY, der wegen einer Ohrfeige in der geschlossenen Psychiatrie sitzt. Niemand sorgt sich dort um seinen gesundheitlichen Zustand, nur seine Mutter, die mit aller Kraft für seine Freilassung kämpft.

Und es gibt noch viele, viele mehr:

Auch ich habe von all dem erst erfahren, als ich angefangen habe, mich intensiv damit zu beschäftigen. Was aber ist mit all denen, die vielleicht keine Angehörigen haben? Niemanden, der für sie kämpft? Niemanden, der sich an die Öffentlichkeit traut? Darf man da einfach wegsehen?

Das Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag mit Beschluss vom 07.11.2017 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für die beabsichtigte Klage bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Dem Antragsteller stünden die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu. Sein Interesse am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) überwiege nicht das Recht der Antragsgegnerinnen auf Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK). Bei gebotener Abwägung der wechselseitigen Interessen berücksichtige die Kammer insbesondere, dass der Name des Antragstellers bereits zuvor ohne Zutun der Antragsgegnerinnen und erkennbar nicht ohne oder gegen dessen Willen in der Öffentlichkeit bekannt gewesen sei. Zwar werde mit der streitgegenständlichen Äußerung offenbart, dass er sich im Maßregelvollzug befindet. Dies sei aber keine Information, die vom Antragsteller nicht zuvor schon selbst in die Öffentlichkeit getragen worden sei. Eine darüberhinausgehende Beeinträchtigung sei nicht ersichtlich. Die streitgegenständliche Textpassage enthalte keine zusätzlichen Informationen zur Person des Antragstellers oder zu den Hintergründen seiner Unterbringung. In Bezug auf die begehrte Unterlassung einer Verbreitung der streitgegenständlichen Äußerung auf bestimmten Webseiten und einer Lizensierung seien entsprechende Handlungen durch die Antragsgegnerinnen nicht dargetan und auch nicht erkennbar. Mangels Hauptanspruchs bestehe auch kein Anspruch auf Abmahnkostenersatz.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. Er ist der Auffassung, das Landgericht sei zu Unrecht von einem überwiegenden Recht der Antragsgegnerinnen auf Meinungs- und Pressefreiheit ausgegangen. Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) sei nicht einschlägig. Maßstab sei allein Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Der Schutzbereich dieser Norm sei ebenfalls nicht eröffnet. Die Angabe seines Namens im Rahmen der streit-gegenständlichen Äußerung sei eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung und nicht Grundlage für ein Werturteil. Die davon klar zu trennende Meinung der Antragsgegnerin zu 1, es gebe viele Opfer in der Psychiatrie, hätte ohne seinen Namen keinen abweichenden Sinngehalt. Jedenfalls überwiege sein Interesse am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Das Landgericht sei unzutreffend davon aus-gegangen, dass er weniger schutzbedürftig sei, weil sein Name und seine Unterbringung schon in die Öffentlichkeit getragen worden seien. Wie der Bundesgerichtshof zur Verwendung eines Namens in der Werbung entschieden habe, schütze S 12 BGB ebenso wie Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG - umfassend vor einem unbefugten Namensgebrauch. Dies gelte hier insbesondere deshalb, weil er den Gebrauch seines Namens in der Vergangenheit nur zu informatorischen Zwecken gestattet habe, die Antragsgegnerinnen mit ihrem Buch aber auch kommerzielle Zwecke verfolgten. Die kommerzielle Veröffentlichung seines Namens berge für ihn unkalkulierbare Risiken und Gefahren. Auch sei er keine Person des öffentlichen Lebens. Schutzwürdige Interessen der Antragsgegnerinnen würden nicht berührt, wenn sein Name entfernt werde. Der Unterlassungsanspruch bestehe auch in vollem Umfang, da eine künftige Veräußerung der Rechte und eine Werbung mit Textpassagen aus dem Buch nicht auszuschließen seien. Die gemäß S 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgemäß eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat, weil die von ihm beabsichtigte Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (S 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dem Antragsteller stehen die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht zu.

  1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Nennung seines Namens im Rahmen der streitgegenständlichen Äußerung nicht als Tatsachenbehauptung von vornherein dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit entzogen.

Tatsachenbehauptungen sind grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können (vgl. ZB BGH, Urteil vom 04.04.2017 - VI ZR 123/16, GRIJR 2017, 844 Rn. 26 mwN).

Dies ist hier der Fall. Entgegen der Auffassung des Antragstellers lässt sich sein Name nicht aus dem beanstandeten Satz herauslösen, ohne dass dessen Sinngehalt verändert, nämlich um den beispielhaften Verweis auf seine Person als eines von (angeblich) vielen Opfer der Psychiatrie verkürzt würde.

  1. Die streitgegenständliche Äußerung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Recht des Antragstellers am eigenen Namen rechtswidrig (S 12 BGB). Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass sein Name von Dritten nur mit seiner Zustimmung verwendet wird. Der unmittelbare Anwendungsbereich des S 12 BGB ist nicht eröffnet. Die Antragsgegnerinnen haben weder das Recht des Antragstellers zum Gebrauch seines Namens bestritten noch unbefugt den gleichen Namen gebraucht. Die Antragsgegnerin zu 1 hat den Namen des Antragstellers nur dazu verwendet, um individualisierend auf den Antragsteller zu verweisen. Dies ist nicht werbend oder in kommerzieller Weise, sondern mit dem erkennbaren Ziel geschehen, die Allgemeinheit auf von der Antragsgegnerin zu 1 empfundene Missstände bei Unterbringungen gemäß S 63 StGB aufmerksam zu machen. Sie möchte mit ihrem Buch etwas für ihren Bruder und andere Betroffene bewirken.

Unbeschadet dessen führt selbst die Benutzung eines fremden Namens zu Werbezwecken nicht stets zu einer Verletzung des Namensrechts (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.1981 - I ZR 73/79, NJW 1981, 2402 mwN [juris Rn. 9]).

  1. Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts überwiegt das Recht des Antragstellers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2

Abs. 1, 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) bei Abwägung der wechselseitigen Interessen (vgl. insofern ZB BGH, Urteil vom 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, juris Rn. 15 mwN) nicht das Recht der Antragsgegnerinnen auf Meinungs- und Medienfreiheit.

  1. Zwar mögen sich die Antragsgegnerinnen nicht auf das Grundrecht der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 GG) stützen können, da dieses die Presse über die Meinungsfreiheit hinaus in ihrer institutionellen Eigenständigkeit schützt

(vgl. zB BVerfG, Beschluss vom 06.11.2019 - 1 BvR 16/13, NJW 2020, 300 Rn. 94 - Recht auf Vergessen l). Sie können sich aber auf ihr verfassungsrechtlich verankertes Recht auf Meinungs- und Medienfreiheit berufen (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 Abs.l EMRK; vgl. insofern zB BVerfG, Beschluss vom 28.07.2016 - 1 BvR 335/14 u.a, NJW 2017, 466 Rn. 9; BGH, Urteil vom 16.11.2021 - VI ZR 1241/20, juris Rn. 15). Die Meinungsfreiheit schützt dabei die Verbreitung von Meinungen und Tatsachen ohne Rücksicht auf Form und Kommunikationsmittel

(vgl. zB BVerfG, NJW 2020, 300 Rn. 94 - Recht auf Vergessen l).

  1. Zwar ist der Antragsteller durch die angegriffene Äußerung in seiner Privatsphäre betroffen.

Deren Schutz umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als „privat" eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie etwa bei sozial abweichendem Verhalten oder Krankheiten (vgl.

zB BGH, Urteil vom 25.10.2011 -VI ZR 332/09, GRIJR 2012, 422 Rn. 15 mwN Wenn Frauen zu sehr lieben).

Dazu gehört grundsätzlich eine freiheitsentziehende Maßregel im Sinne von S 63

StGB.

cc) Allerdings ist der Antragsteller nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.

(1) Das Landgericht hat bei der Abwägung der gegenläufigen Interessen zu Recht maßgeblich darauf abgestellt, dass die Antragsgegnerinnen mit der streitgegenständlichen Äußerung keine Information aus der Privatsphäre des Antragstellers preisgeben, die der Öffentlichkeit nicht bereits auf dessen Veranlassung hin, jedenfalls aber mit Billigung des Antragstellers, bekanntgemacht worden war.

  1. Insoweit ist anerkannt, dass sich ein von einem Persönlichkeitseingriff Betroffener nicht auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen kann, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat. Deshalb kann der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden. Die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (vgl. ZB BGH, Urteil vom 12.05.2018 - VI ZR 284/17, NJW 2018, 3509 Rn. 14 mwN - Begegnung mit dem verlorenen Bruder).
  2. Nach diesen Maßstäben hat der Antragsteller den konkret in Rede stehenden Bereich seiner Privatsphäre seine Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung und seine Eigenschaft als (mutmaßliches) Opfer der Psychiatrie - im Vorfeld der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches freiwillig selbst gegenüber der Allgemeinheit offenbart. Er hat Berichte zu seinem Schicksal unter Angabe seines vollen Namens nicht nur geduldet, sondern nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts sogar bewusst in die Öffentlichkeit getragen und weiterverbreitet. Die öffentlichen Ausführungen seines Verfahrensbevollmächtigten sind ihm insofern als eigene Selbstbegebung zuzurechnen (vgl. zB BGH, Urteil vom 12.05.2018 - VI ZR 284/17, NJW 2018, 3509 Rn. 16 mwN).

(2) Die Antragsgegnerinnen haben ein anerkennenswertes Interesse daran, die Öffentlichkeit über von der Antragsgegnerin zu 1 empfundene Missstände im Zusammenhang mit Unterbringungen gemäß S 63 StGB zu unterrichten. Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist seine namentliche Erwähnung im Buch zur Erreichung des von den Antragsgegnerinnen verfolgten Informationszwecks von Bedeutung. Wie sich den oben wiedergegebenen Passagen aus dem Buch entnehmen lässt, zeigt die Antragsgegnerin zu 1 in diesem namentlich einige Einzelschicksale von (angeblichen) Psychiatrieopfern auf (vgl. auch S. 113 Abs. 5 des Buches). Diesen stellt sie viele andere, nicht namentlich benannte Opfer gegenüber, von deren Schicksal niemand Notiz nehme, weil sie keinen hätten, der sich für sie einsetze. Der Antragsteller steht insoweit neben den anderen namentlich erwähnten Personen für eines von (angeblich) unzähligen Opfern der Psychiatrie. Dass er keine Person des öffentlichen Lebens ist, spielt insofern keine Rolle. Abgesehen davon, dass er im Zusammenhang mit dem Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB durchaus im Blickfeld der Öffentlichkeit steht, hat der Antragsteller diesen Bereich seiner Privatsphäre, wie oben dargetan wurde, freiwillig geöffnet. Er betrachtet sich selbst als Opfer der Psychiatrie und ist damit an die Öffentlichkeit getreten. Insoweit hat das Landgericht auch zu Recht berücksichtigt, dass der Leser durch die beanstandete Äußerung keine zusätzlichen Informationen erhält. Daher schränkte es die Antragsgegnerinnen unverhältnismäßig in ihren Rechten auf Meinungs- und Medienfreiheit ein, müssten sie auf die Nennung des Antragstellers verzichten.

(3) Eine andere Bewertung ist nicht deshalb geboten, weil die Antragsgegnerinnen mit dem streitgegenständlichen Buch möglicherweise Einnahmen erzielen.

Die Wiedergabe des Namens des Antragstellers in der angegriffenen Äußerung verletzt nicht schon aus diesem Grund sein allgemeines Persönlichkeitsrecht (siehe insofern ZB BGH, NJW 1981, 2402 mwN [juris Rn. 10]). Die streitgegenständliche Äußerung greift nicht in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines

Rechts am eigenen Namen ein. Wie oben bereits dargetan wurde, steht bei ihr das Berichterstattungsinteresse der Antragsgegnerinnen im Vordergrund. Soweit diese mit dem Buch auch Einnahmen erzielen, ist dies allenfalls ein mitwirkendes Element (vgl. zB BGH, Urteil vom 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 643 Rn. 13 mwN  Urlaubslotto). Im Übrigen ist auch nicht dargetan und auch nicht erkennbar, welches eigene kommerzielle Interesse der Antragsteller an der Äußerung haben könnte, das durch deren Verbreitung durch die Antragsgegnerinnen beeinträchtigt sein könnte (vgl. insofern ZB GRIJR 2021, 643 Rn. 13 mwN - Urlaubslotto). Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb mit der „kommerziellen" Veröffentlichung seines Namens im Buch unkalkulierbare Risiken und Gefahren für ihn einhergehen sollten. d) Insbesondere in Bezug auf die Unterpunkte zwei und drei des vom Antragsteller beabsichtigten Unterlassungsantrags fehlt nach den zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss darüber hinaus die für einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG erforderliche Wiederholungsgefahr. Der Antragsteller hat nicht dargetan, dass die Antragsgegnerinnen derartige Handlungen in der Vergangenheit bereits vorgenommen hätten. Daher besteht kein Anknüpfungspunkt für die tatsächliche Vermutung einer Wiederholungsgefahr (vgl. insofern zB BGH, Urteil vom 29.11.2021 - VI ZR 248/18, juris Rn. 72 mwN).

Soweit der Antragsteller in der Beschwerdeschrift geltend macht, eine künftige Veräußerung der Rechte und eine Werbung mit Textpassagen aus dem Buch seien nicht auszuschließen, begründet dies auch keine Erstbegehungsgefahr. Ein auf eine Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, wenn ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass sich der Anspruchsgegner in naher Zukunft in der fraglichen Weise rechtswidrig verhalten werde (vgl. ZB BGH, Urteil vom 20.10.2021 - I ZR 96/20, GRIJR 2021, 1531 Rn. 35 mwN - Kurventreppenlift). Dies ist nicht erkennbar.

2. Mangels Hauptanspruchs steht dem Antragsteller nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auch kein Anspruch auf Anwaltskostenersatz nebst

Zinsen zu. Die beabsichtigte Klage hat damit insgesamt keine Aussicht auf Erfolg

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