Die Reform des Maßregelvollzugsrechtes § 64 StGB
Die Novellierung von § 64 Strafgesetzbuch (StGB) ist am 22.06.2023 durch den Deutschen Bundestag angenommen worden und trat am 01.10.2023 in Kraft.
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt allgemein zum Anspruch des Gesetzes:
Der vorgelegte Gesetzentwurf sieht verschiedene Änderungen vor, wobei wir uns hier auf die Reform des § 64 StGB zunächst beschränken.
So werden die Anordnungsvoraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB in einer vielfachen
Ausprägung „enger gefasst“. Aus der Verlautbarung des Bundesjustizministers kann entnommen werden, dass die Änderungen vor allem das Ziel verfolgen, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt
„wieder stärker auf die verurteilten Personen zu konzentrieren, die aufgrund ihres übermäßigen Rauschmittelkonsums und der daraus resultierenden Gefahr, erhebliche rechtswidrige Taten zu
begehen, tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen“.
Das wirft die Frage auf – vor allem auf diesem Hintergrund – wer wurde denn dann bislang nach § 64 StGB untergebracht? Eine Antwort
darauf kann zunächst schwierig gefunden werden. Die Recht-sprechung hat darauf, wer hätte es gedacht, sofort reagiert. Die Beschlüsse des Bundesgerichtshofes - Beschl. v.
25.10.2023 – 5 StR 246/23 – und Beschl. v. 04.10.2023 – 6 StR 405/23 sind schon mal ein Hinweis darauf, was uns denn künftig erwartet. Zunächst hat hier der BGH in beiden den Beschlüssen
zugrunde liegenden Fällen die Anwendung des neuen Rechts auf „Altfälle“ „gefordert.
In Beschluss vom 25.10.2023 hat der Bundesgerichtshof ausgeführt:
„Die Ausführungen des Landgerichts belegen nicht, dass die Voraussetzungen der seit 1. Oktober 2023 geltenden und nach § 2 Abs.
6 StGB auch für Altfälle maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB vorliegen, was der Senat nach § 354a StPO zu beachten hat. Beim Angeklagten liegt zwar ein langjähriges Abhängigkeitssyndrom
hinsichtlich „Crystal“ (Metamphetamin) vor, das den von der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzten Begriff einer Substanzkonsumstörung erfüllt (vgl. näher BT-Drucks. 20/5913 S. 69). Die
bisherigen Feststellungen belegen aber nicht, dass die Taten des Angeklagten im Sinne der Neuregelung „überwiegend“ hierauf zurückgehen.
Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.): „Durch die Ergänzung des Wortes ‚überwiegend‘ soll nunmehr
gesetzlich konkretisiert werden, unter welchen Voraussetzungen ein kausaler Zusammenhang zwischen ‚Hang‘ und ‚Anlasstat‘ angenommen werden kann. Nur für den Fall, dass die rechtswidrige Tat
überwiegend auf den Hang der Person, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgeht, ist ein solcher künftig anzunehmen. ‚Überwiegend‘ ursächlich ist
der ‚Hang‘ für die ‚Anlasstat‘, wenn dieser mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war – und die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat ist für die Annahme der Kausalität
also nur noch dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt. Eine Mitursächlichkeit des ‚Hangs‘ für die ‚Anlasstat‘ unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des
Tatbestandsmerkmals nicht mehr aus. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – ggf. unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen.“
Der BGH hat das Rückwirkungsverbot für die neue gesetzliche Regelung des § 64 StGB somit ausgeschlossen. Maßregeln der Besserung und Sicherung §§ 63, 64 StGB
unterfallen nicht dem Rückwirkungsverbot.
Nun, ganz so einfach ist dies dann doch nicht.
Entscheidungen des EGMR geraten hin und wieder in Vergessenheit.
Wir erinnern uns.
Bis Anfang 1998 war die Regelung das die Unterbringung in der
erstmalig angeordneten Sicherungsverwahrung längstens zehn Jahre andauern kann, dann wurde diese Befristung aufgehoben. Im November 2009 – rechtskräftig am 10. Mai 2010 – entschied dann der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall M., dass eine solche über zehnjährige Unterbringung unzulässig ist, wenn der Sicherungsverwahrte seine Straftat, die der Anordnung zugrunde
lag, schon zu jener Zeit begangen hatte, als die Befristung noch galt. Das verbiete u. a. das Rückwirkungsverbot.
Die Auswirkungen und Konsequenzen dieser Neureglung, die nach den Verlautbarungen des Bundesgesetzgesetzgebers:
Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt hierzu:
„In den letzten Jahren hat die Zahl der Menschen drastisch
zugenommen, die nach einer strafgerichtlichen Verurteilung in einer Entziehungsanstalt untergebracht sind. Die Situation ist nicht länger tragbar: Nicht alle untergebrachte Personen sind in den
Kliniken richtig aufgehoben. Viele Kliniken sind überlastet. Ziel unserer Reform: Die Behandlung muss sich wieder auf diejenigen Personen konzentrieren, die wirklich behandlungsbedürftig und -fähig
sind. Das liegt im Interesse aller betroffenen Personen und unseres Gemeinwesens.“
werden den Strafvollzug mit Wucht treffen.
Die Behanlung von Suchtkranken im Strafvollzug ist tatsächlich nicht professionell möglich. Während im Rahmen einer
Unterbingung nach § 64 StGB suchtkranke Menschen zumindest einer reale Chane haben, sich mit den Problematiken ihrer Sucht auseinanderzusetzen und - somit die Voraussetzungen geschaffen werden,
künftig ein Leben ohne Straftaten (bezogen auf deren Sucht) zu führen wird diese nicht so kleine Gruppe von Menschen im Strafvollzug (natürlich kostengünstiger) verwahrt - aber nicht behandelt.
Bedeutet, nach der Entlassung werden sie das fortsetzen, was zu der Inhaftierung geführt hat.
Das was die Politk hier also als notwendige und erforderliche Reform darstellt, zeigt sich unter dem Strich erneut als eine besonders
dreiste Verdumnmgshandlung im Hinblick auf das Tatsächliche.
Denn im Strafvollzug sind suchtkranke Menschen ganz sicherlich falsch aufgehoben.
T. H.