Anordnung einer
Zwangsmedikation
BVerfG · Beschluss vom 23. März 2011 · Az. 2 BvR 882/09
OLG Frankfurt am Main vom 12.05. 2016 3 Ws
51/16
HMRVG (Hessisches Maßregelvollzugsgesetz)
§ 7 a Abs. 2 HMRVG
Gesetz über den Vollzug von Maßregeln
der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt (Maßregelvollzugsgesetz)
Anordnung einer
Zwangsmedikation
Eine kurze
Übersicht
Mit der Unterbringung gem. §
63 StGB in einer Einrichtung des psychiatrischem Maßregelvollzuges fällt hinter den Betroffenen die Tür zu. Das Hessische Maßregelvollzugsgesetz (HMRVG) ist geschaffen worden für §1 Absatz 1 den
Vollzug vom Maßregeln der Besserung und Sicherung in einem psychiatrischem Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt. Es gilt nach Absatz
2 entsprechend für den Vollzug der einstweiligen Unterbringung nach
§ 126a der Strafprozessordnung, der Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand eines Beschuldigten nach § 81 Abs. 1 der Strafprozessordnung und der
Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand eines Beschuldigten nach § 73 des Jugendgerichtsgesetzes, soweit Zweck und Eigenart des Verfahrens nicht
entgegenstehen. Das Maßregelvollzugsgesetz liest sich in der derzeit gültigen Fassung ein wenig wie das HStVollzG (Hessische Strafvollzugsgesetz) mit dem Zusatz dass vieles überhaupt nicht geregelt
scheint und das was geregelt wurde, in Ermangelung einer Konkretisierung, viel zu weit gefasst wurde. Erstaunlich ist, dass nicht unterschieden wird zwischen den vorläufig Untergebrachten und den mit
Rechtskraft nach § 63 StGB Untergebrachtem. Immerhin ist eine gerichtlich angeordnete vorläufige Unterbringung Untersuchungshaft in einer „besonderen Form“ und diese ist getrennt von der Strafhaft zu
vollziehen. Weshalb dies in einer Einrichtung des Maßregelvollzuges anders sein sollte, erschließt sich nicht. Insgesamt ist das Gesetz so gefasst, dass von einer wirksamen Kontrolle
ernsthaft nicht gesprochen werden kann. Dies erscheint durchaus auch gewollt. Schon die Strafvollzugsanstalten lassen
sich natürlich ungern wirksam kontrollieren, wobei hier die gesetzlichen Regelungen durchaus griffiger und nicht ganz so schwammig erscheinen. Für den Bereich des Maßregelvollzuges eröffnen sich da
ganz andere Dimensionen.
Ein zentraler,
gewichtiger Punkt ist die seit Jahren (Jahrzehnten) bestehende Diskussion um die Frage ab wann darf denn nun
zwangsmedikamentiert werden? Die dazu in den letzten Jahren ergangene Rechtsprechung und die Formulierungen diverser Landesgesetze haben diese Frage, bislang, abschließend nicht
beantwortet.
Die Entscheidung des OLG
Frankfurt Main (3 Ws 51/16) beschäftigt sich mit grundsätzlichem zu der Anordnung einer Zwangsmedikation nach dem HMRVG. Immerhin merkt das OLG schon mal an, ohne darüber in diesem Fall entscheiden
zu müssen, dass die gesetzliche Anordnung einer Zwangsmedikation gem. § 7a Absatz 2, 2 Alternative HMRVG (Gegen den natürlichen Willen einer untergebrachten Person sind bei erheblicher Gefahr des
Lebens oder einer gegenwärtigen schwerwiegenden Schädigung der Gesundheit anderer Personen medizinische Untersuchungen und Behandlungen sowie die Ernährung zulässig) verfassungswidrig
ist.
Zunächst erscheinen
(formell) die Hürden für eine Zwangsmedikation recht hoch. Eine Genehmigung der Fachaufsicht muss vorliegen. Weshalb aber das OLG Frankfurt denn meint, dass mit der Einholung einer Genehmigung der
Fachaufsicht (in Hessen ist dies das Hessische Ministerium für Soziales und Integration) der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts genüge getan sei, dass eine von der Unterbringungseinrichtung
unabhängige Prüfung zu erfolgen habe, erschließt sich eher nicht. Immerhin wurde die Genehmigung erteilt, welche die Klinik in die Lage versetzte den Betroffenen ab dem 23.11. 2015 zwangsweise
medikamentös zu behandeln. Und selbst wenn es der Zustimmung eines Gerichtes bedarf, hätte dies daran erst mal auch nicht geändert. Denn das Landgericht Marburg, die dortige Strafvollstreckungskammer
wies ja den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen ab. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen einer Zwangsmedikation vorliegen würden. Das OLG sah dies anders. Also haben hier doch
(fast) alle Kontrollen versagt.
Die Frage einer
Zwangsmedikation, es wäre hierbei auch zu klären, was alles unter diesen Begriff zu subsumieren ist, dürfte weitaus häufiger vorkommen als man meint. Denn das diese Ermächtigungsgrundlage selten
angewandt wird, ist an sich durch die Verfahren der letzten Jahre widerlegt.
Der Gesetzgeber ist hier
gefordert eine gesetzliche Regelung zu schaffen, welche der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes genügt.