Der kalkulierte Rechtsbruch

Immer mal wieder

Zum Recht auf vollständige Akteneinsicht in die Patientenakte des Untergebrachten im Maßregelvollzug

 

„Der heilige Gral der Institutionen die Akten“

 

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Az: 203 StObWs 171/22 vom 29.06. 2022

 

 

Es ist schon etwas länger her, da sprach das Bundesverfassungsgericht zu dem leidigen und An sich vollkommen überflüssigen Thema der Akteneinsicht ein Machtwort. Allerdings und dies beinhaltet die Tragik der offenkundig Gehörlosen Institutionen, dass man öfters mal mit allen Tricks und zum Teil durchaus bizarren Methoden, in der Konsequenz eines schon vorsätzlichen rechtswidrigen Verhaltens, das Machtwort des Bundesverfassungsgerichtes an der instinktlosen Gehörlosigkeit scheitern lässt. Auch die wie oben angeführte Entscheidung verdeutlicht dies mal wieder und man muss hier auch die Frage aufwerfen, ob diese Gehörlosigkeit nunmehr immer auch noch einige Richter an den Strafvollstreckungskammern bindet. Denn das Bundesverfassungsgericht hat unmissverständlich klargestellt, dass die Akteneinsicht in die medizinischen Unterlagen – ohne weitere Voraussetzungen – und umfassend zu gewähren ist <z. G. hierzu: Goerdeler in Feest-Lesting- Lindemann 8. Aufl. Anm. 310 Teil III Datenschutz>.

Dergleichen gilt auch für den Strafvollzug.

Wieso es so ist? Nun einerseits ist das Argument des damit verbundenen zusätzlichen Arbeitsaufwandes ohne jedes Gewicht. Im Maßregelvollzug werden die Akten mit spezieller Software elektronisch geführt, insofern ist der Arbeitsaufwand gering. Folglich hängt es möglicherweise damit zusammen, dass man sich „nicht in die Karten schauen lassen möchte“. Und wie heißt es doch so schön, wer nichts zu verbergen hat mit einer vollständigen Akteneinsicht kein Problem.

Aus welchen Gründen, nach wie vor, Richter an Strafvollstreckungs-kammern die höchstrichterliche Rechtsprechung auszublenden suchen, kann damit zusammenhängen, dass diese entweder von der rechtlichen Realität keine Ahnung haben oder aber- die seit Dekaden diskutierte vollzugsnähe der Strafvollstreckungskammern – nach wie vor fortbesteht. Das aber kollidiert bedauerlicherweise mit dem Grundsatz der richter-lichen Unabhängigkeit, welcher dann ja nicht mehr besteht.

De lege lata versus de lege ferenda?

 

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat dies zutreffend wie folgt gefasst:

„Das Recht auf Selbstbestimmung und die personale Würde eines jeden Patienten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) begründen einen Anspruch auf vollständige Einsicht in die ihn betreffenden Kranken-unterlagen sowie die Übermittlung vollständiger Kopien oder Ausdrucke (vgl. BVerfG NJW 2017, 1014 ff., juris Rn. 17 ff.). Dies gilt auch, wenn der Patient im Maßregelvollzug untergebracht ist (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 19). Dieser grundrechtlich verankerte Anspruch des Patienten auf Einsicht in seine Krankenakte spiegelt sich auch in den Wertungen des Art. 8 EMRK wieder (vgl. EGMR, Urteil vom 28. April 2009, Nr. 32881/04, Beschwerdesache K. H. u.a. gegen die Slowakei, §§ 47 ff.) und geht in seiner Reichweite über den Anspruch nach Art. 204 BayStVollzG i.V.m. Art. 34 BayMRVG hinaus. Die effektive Ausübung des Rechts auf Zugang zu Informationen über den eigenen Gesundheitszustand gebietet die positive Verpflichtung des Besitzers der Akten. dem Betroffenen eine vollständige Abbildung der über seine Person geführten Akten zur Verfügung zu stellen; nur ein vollständiges Doppel versetzt den Betroffenen in die Lage, effektiven Rechtsschutz im Falle einer gerichtlichen Überprüfung zu erlangen, und eine verlässliche Kontrolle des Datenbestands zu ermöglichen (vgl. auch KG-Beschluss 30. August 2021 - 2 Ws 60/21 Vollz-, juris Rn. 14; OLG Hamm Beschluss vom 30. November 2020 - 1 Vollz (Ws) 322 und 463-464/20 -‚ juris). Zu Einschränkungen dieses vollumfänglichen Einsichtsrechts können allenfalls gewichtige Belange führen (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 25 f.; OLG Hamm a.a.O.; KG a.a.O.), die vorliegend jedoch nicht geltend gemacht sind. Die Nichterfüllung des individuellen Anspruchs ist mit einem Verpflichtungsantrag nach § 109 StVollzG durchsetzbar (BVerfG NJW 2021, 377, juris Rn. 6). Entsprechendes hat für die teilweise Nichterfüllung zu gelten.“

 

Zu der Frage der vollständigen Einsicht in die Gefangenenpersonalakten hat das OLG Frankfurt 3. Strafsenat bereits am 27.09. 2018 für die Überprüfung im Verfahren nach  § 119a StVollzG beschlossen, das der Anwalt ein umfassendes Akteneinsichtsrecht hat, welches sich ins-besondere auch auf die Einsicht in die Gefangenenpersonalakten erstreckt.

 

Thomas Henning

 

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