Strafvollzugsrecht/Ablösung als Hausarbeiter rechtswidrig

LG Fulda vom 02.03. 2018 (noch nicht rechtskräftig) 2 StVK 211/17

 

 

Ausfertigung

 

EINGEGANGEN

0 9. MRZ, 2018

Rechtsanwaltskanzlei Henning Rechtsanwältin Hanna Henning

 

LANDGERICHT FULDA BESCHLUSS

 

Hünfeld,

Antragsteller, Bevollmächtigte: RAin Hanna Henning, Hungen,

JVA Hünfeld, vertreten durch den Anstaltsleiter, Molzbacher Straße 37, 36088 Hünfeld,

Antragsgegnerin,

Ablösung als Hausarbeiter

 
 
 

hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Fulda durch den Direktor des Amtsgerichts

 

 

am 02. März 2018 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird die Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.11.2017, mit der sie den Antragsteller als Hausarbeiter ablöste, aufgehoben.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 1.000,- € festgesetzt.

GRÜNDE:

I.

Der Antragsteller befindet sich seit dem 30.10.2014 zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren in Haft. Diese verbüßte er - nach vorangegangener Untersuchungshaft - bis zum bei der Antragsgegnerin, wurde sodann in den offenen Vollzug der JVA Frankfurt am Main IV verlegt, aus dem er jedoch abgelöst wurde. Seit dem befindet sich der Antragsteller wiederum bei der Antragsgegnerin in Haft. 2/3-Termin für die Vollstreckung der Strafe aus dem oben genannten Verfahren stand am notiert.

Der Antragsteller war bei der Antragsgegnerin als Hausarbeiter eingesetzt. Mit der angefochtenen Verfügung löste die Antragstellerin den Antragsgegner als Hausarbeiter ab und stütze diese Maßnahmen auf einen zwischen den Parteien im einzelnen streitigen Vorgang vom. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich der Antragsteller und der Bedienstete der Antragsgegnerin im Haftraum des Gefangenen Nach Darstellung der Antragsgegnerin soll sich der Antragsteller in den Haftraum geschlichen haben, er habe „die als natürlich wahrgenommene Distanz zwischen Menschen deutlich unterschritten“, wodurch sich der Bedienstete massiv bedroht gefühlt habe. Der Aufforderung den Haftraum zu verlassen, sei der Antragsteller nur zögerlich nachgekommen. Im Anschluss habe der Antragsteller aufdringlich versucht, den Bediensteten  in ein „belehrendes Gespräch“ zu verwickeln.

Aufgrund dieses Vorfalls löste die      Antragsgegnerin den Antragsteller mit Verfügung vom als Hausarbeiter ab. Der Vorgangselbst ist der Anstaltsleitung der Antragsgegnerin erst im Rahmen eines Disziplinarverfahrens bekannt geworden.

 

2

 

 

Der Antragsteller behauptet, der Vorfall sei gänzlich unproblematisch gewesen. Er habe den Haftraum freiwillig verlassen, als er den Bediensteten gesehen habe. Der Vortrag des Bediensteten sei eine „Reaktion“ auf einen Beschwerdevorgang.

Der Antragsteller beantragt,

die Verfügung der Antragsgegnerin vom 27.11.2017 aufzuheben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, aufgrund des Verhaltens des Antragstellers sei seine Ablösung zwingend erforderlich gewesen. Sie stützt sich ansonsten weitgehend auf ihren Bescheid, auf dessen Inhalt ausdrücklich Bezug genommen wird

Das Gericht hat die Zeugen telefonisch angehört

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden und auch begründet.

Die Ablösung des Antragstellers als Hausarbeiter ist rechtswidrig und verletzt den Antragssteller in seinen Rechten.

Nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 HStVollzG können Gefangene von der zugewiesenen Tätigkeit abgelöst werden, wenn dies aus Gründen der Sicherheit und Ordnung der Anstalt erforderlich ist. Der Anwendungsbereich der Vorschrift kann sehr verschiedene Sachverhalte erfassen (Arbeitsvenweigerung, Weigerung eine UK-Abzugeben). Ein wichtiger Anwendungsfall von Nr. 4 kommt etwa bei verhaltensbedingten Gründen in Betracht, wenn der Gefangene dauerhaft nicht in der Lage oder bereit ist, sich in das Zusammenleben der Beschäftigten einzugliedern und hierdurch der “Betriebsfrieden” nachhaltig gestört ist (OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 1998, 31; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 389; BeckOK Strafvollzug Hessen/Kunze HStVollzG § 28 Rn. 4). Letztlich muss in aller Regel ein erhebliches Fehlverhalten des Gefangenen gegeben sein. Diese Voraussetzungen vermag das Gericht hier nicht zu erkennen.

 

3

 

 

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller nach mehr als einem Monat nach dem streitigen Vorfall ablöste und von ihr selbst nicht vorgetragen wird, dass der Antragssteller in dieser Zeit in irgendeiner Weise gegen seine Verpflichtungen als Hausarbeiter verstoßen habe.

Auch unter Berücksichtigung der besonderen Vertrauensstellung, die ein Hausarbeiter innehat, müssen die Gründe für eine Ablösung umso erheblicher sein, je länger der auslösende Vorgang zurückliegt. Hier kann der Vorgang aber selbst nach Darstellung der Antragstellerin nicht als so erheblich angesehen werden.

Unstreitig ist es zwischen den Parteien, dass es zu keiner Bedrohung des Bediensteten  durch den Antragsteller gekommen ist, vielmehr hat dieser - nach dem Vortrag der Antragsgegnerin - den Vorgang lediglich als bedrohlich empfunden, wobei dies nur auf die körperliche Nähe des Antragstellers gestützt wird. Mithin ist dieser aber in keiner Weise aggressiv aufgetreten. Auch unter Berücksichtigung des Lebensalters der Verurteilten und dessen Deliktsbiografie erschließt es sich aber nicht unmittelbar, warum von diesem eine Bedrohung ausgegangen sein soll.

Auch mag der Bedienstete es empfunden haben, als habe der Antragsteller sich „angeschlichen", dies alleine genügt aber nicht, um ein solches Verhalten objektiv bestätigen zu können. Der Antragsteller war aber nicht gehalten, sein Kommen etwa durch Klopfen anzukündigen. Mithin kann es auch so sein, dass der Bedienstete schlicht überrascht gewesen ist und hieraus Folgerungen gezogen hat.

Der Anweisung der Beamten den Haftraum zu verlassen, ist der Antragsteller nachgekommen, wobei dieser auch nicht mehrfach aufgefordert werden musste. Ein „zögerliches Verhalten“ muss aber auch einem Hausarbeiter zugestanden werden.

Das der Antragsteller - nach der Schilderung der Antragsgegnerin - im Anschluss versuchte, seine Position zu erläutern ist, auch einem Hausarbeiter durchaus gestattet.

Die Darstellung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe den Haftraum unerlaubt betreten, wird von dieser nicht erläutert und ist auch nicht nachvollziehbar. Ein allgemeines Verbot von Gefangene die Hafträume anderer Gefangener zu betreten besteht nicht. Dem Antragsteller war es von der Antragsgegnerin auch nicht untersagt, andere Hafträume zu betreten. Der Gefangene Schuchardt hatte dem Antragsteller auch das Betreten seines Haftraums nicht untersagt.

Auch muss gesehen werden, dass der Bedienstete in der konkreten Situation den Vorgang nicht so bedrohlich empfand, als dass er Alarm ausgelöst hätte. Auch hat er den Antragsteller nach dem streitigen Vorfall weder unter Verschluss genommen, noch den

 

 

Vorgang in irgendeiner Weise gemeldet oder aktenkundig gemacht. Dies spricht aber eher dafür, dass er den Vorfall, wenn er denn so stattgefunden hat, eher als störend, aber nicht relevant eingestuft hat.

Mithin vermag das Gericht aber ein Verhalten des Antragstellers, dass die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdete, nicht zu erkennen. Auf die Aussage des Zeugen kommt es insoweit nicht an, wobei dieser den Vortrag der Antragsgegnerin zumindest nicht gestützt hat.

Zwar steht der Anstalt bei der Entscheidung ein Beurteilungsspielraum zu (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, NSTZ-RR Jahr 2005 Seite 389; OLG Hamm NStZ 2010, NSTZ Jahr 2010 Seite 396) sowie bei verhaltensbedingt veranlassten Maßnahmen ein Entschließungs- sowie ein Auswahlermessen hinsichtlich der konkreten Reaktion (Ablösung und/oder Disziplinarmaßnahme) zu (BeckOK Strafvollzug Hessen/Kunze HStVollzG § 28 Rn. 4).

Hier lässt sich aber bereits kein relevantes Fehlverhalten feststellen, so dass für einen Beurteilungsspielraum kein Anwendungsbereich bleibt.

Mithin war die streitgegenständliche Verfügung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 83 Nr. 3 HStVollzG iVm 121 Abs. 1 StVollzG.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 60, 52 Abs. 1 bis 3 GKG.

 

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