OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
3 Ws 975/17 (StVollz)
5/18a StVK 25/17
LG Frankfurt am Main
Schlagworte: Verteidigerbesuch – Unterbringung im besonders gesicherten Haftraum -
In der Strafvollzugssache
der
Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Henning, Hungen,
wegen schwerer Brandstiftung u.a.,
hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG; Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung eines Besuchs durch die Verteidigerin,
hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main am 23. August 2018 beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Verurteilten wird der Beschluss der 18. Strafkammer — Strafvollstreckungskammer — des Landgerichts Frankfurt am Main vom 9. Oktober 2017 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, einen Besuch der Verteidigerin bei der Verurteilten am 19. Juni 2017 nicht zuzulassen, rechtswidrig war.
Die Kosten des gesamten Verfahrens, einschließlich der Rechtsbeschwerde, sowie die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin fallen der Staats-kasse zur Last (§§ 121 Abs. 4 StVollzG, 467, 473 StPO).
Der Gegenstandswert wird für das gesamte Verfahren auf 1.000,00 € festgesetzt (§§ 60, 52 Abs. 1 GKG).
Gründe
Die Beschwerdeführerin verbüßte im Juni 2017 in der Justizvollzugsanstalt Frankfurt am Main III Strafhaft. Am 18. Juni 2017 wurde sie dort in einem besonders gesicherten Haftraum untergebracht. Am 19. Juni 2017, einem Montag, dauerte die Unterbringung in dem besonders gesicherten Haftraum noch an. An diesem Tag wollte die Verteidigerin der Beschwerdeführerin, die hiesige Bevollmächtigte, diese in der Justizvollzugsanstalt besuchen. Dies wurde seitens der Justizvollzugsanstalt wegen der Unterbringung der Verurteilten in dem besonders gesicherten Haftraum nicht zugelassen.
Die Beschwerdeführerin hat mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19. Juni 2017 die Feststellung beantragt, dass die Versagung des Besuchs der bevollmächtigten Rechtsanwältin rechtswidrig gewesen sei.
-3
Die Strafvollstreckungskammer hat mit dem angefochtenen Beschluss den Antrag zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Verurteilten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt war rechtswidrig, weshalb die den Feststellungsantrag zurückweisende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen war.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung angesichts der falschen Rechtsanwendung durch die Justizvollzugsanstalt und die Strafvollstreckungskammer geboten (§116 Absatz 1 StVollzG).
Die Verurteilte hat auch ein im Sinne des § 115 Abs. 3 StVollzG berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der von Beginn an erledigten Maßnahme. Die rechtswidrige Versagung des Besuchs ihrer Rechtsanwältin und Verteidigerin stellt nämlich einen gewichtigen Grundrechtseingriff dar. Der freie Kontakt zwischen einer beschuldigten oder verurteilten Person und ihrem Verteidiger bzw. ihrer Verteidigerin folgt aus dem Grundrecht auf ein faires Verfahren, das wiederum seine Grundlage in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) sowie. in Art. 6 EMRK hat. Angesichts der herausragenden Bedeutung des Zugangs eines Beschuldigten oder Verurteilten zu dem Verteidiger seines Vertrauens stellen Maßnahmen, die die Kommunikation mit diesem behindern, einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff dar (vgl. BVerfG NJW 2012, 2790 Rdnr. 26¬30).
Die angegriffene Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, einen Besuch der Verteidigerin bei der Verurteilten am 19. Juni 2017 nicht zuzulassen, war rechtswidrig, da es für eine solche Untersagung keine Rechtsgrundlage gibt. Besuche von Verteidigerinnen und Verteidigern sind gemäß § 33 Abs. 3 HStVollzG zu gewährleisten. Die Vorschrift sieht keine Einschränkungen oder Ausnahmen vor. Auch die näheren Regelungen zu Besuchen von Gefangenen in § 34 HStVollzG enthalten keine Tatbestände, die eine Untersagung von Verteidigerbesuchen vorsehen würden. Ebenso wenig sind in den Vorschriften über die besonderen Sicherungsmaßnahmen wie die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum in § 50 HStVollzG Ausnahmen oder Einschränkungen bezüglich des Besuchs von Verteidigern enthalten. Die allein mit der „Unterbringung der Antragstellerin" (gemeint ist im besonders gesicherten Haftraum) begründete Ablehnung der „Besuchszulassung" am 19.06.2017 trägt des¬halb diese Entscheidung nicht, ebenso wenig die Behauptung der Strafvollstreckungskammer, es habe ein „konkreter dienstlicher Anlass" bestanden, eine Besuchsmöglichkeit nicht zuzulassen. Nichts anderes ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien. Danach beruht § 33 Abs. 3 Satz 1 HStVollzG auf dem Grundsatz der freien Verteidigung, zu deren Gewährleistung ein ungehinderter Kontakt zwischen einem Gefangenen und seiner Verteidigung unabdingbar ist. Diese Kontakte hat die Anstalt deshalb — im Rahmen des ihr organisatorisch Zumutbaren — ohne Einschränkung in Bezug auf Zeit und Häufigkeit zu gewährleisten (LT-Drs. 18/1396 S. 97). Dazu, dass ein Besuch der Verteidigerin bei der Verurteilten an dem fraglichen Tag für die Justizvollzugsanstalt organisatorisch unzumutbar gewesen wäre, fehlt jeglicher Vortrag. Angesichts des Besuchs an einem Wochentag, wobei nicht ersichtlich ist, dass der Besuch etwa außerhalb der üblichen Besuchszeiten hätte stattfinden sollen, liegt das auch fern — zumal die Verurteilte bereits seit einem Tag unter der besonderen Überwachung stand und nicht nachvollziehbar ist, wieso ein Besuch durch die Verteidigerin eine für die Justizvollzugsanstalt organisatorisch nicht zu bewältigende Erhöhung des Risikos für die ihr anvertrauten Gefangenen hätte mit sich bringen sollen.
Rechtsanwältin Hanna Henning
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