LG Frankfurt am Main 3. Zivilkammer presserechtliche Ansprüche und Prozesskostenhilfe

LG Frankfurt am Main 2-03 O 275/17

vom 07.11. 2017 n.n. rechtskräftig

 

 

Landgericht Frankfurt am Main
3. Zivilkammer

Aktenzeichen: 2-03 0 275/17

Beschluss

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

 

Antragsteller

 

gegen

1.    

2.    

Antragsgegner

Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: Rechtsanw. Hanna Henning
Gießener Straße 6a, 35410 Hungen,

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main

durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr.

Richterin am Landgericht  und

Richter am Landgericht Dr.

am 07.11.2017 beschlossen:

Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.

 

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Antragsteller (im Folgenden: „Kläger") begehrt Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage im Hinblick auf presserechtliche Ansprüche.

Der Kläger befindet sich seit dem Jahr XY im Maßregelvollzug gemäß § 63 StGB.

Die Antragsgegnerin zu 1) (im Folgenden für beide Antragsgegner: „Beklagte") ist die Autorin des Buchs  das Anfang 2017 veröffentlicht wurde. Das Buch ist im Verlag der Beklagten zu 2) erschienen.

Auch der Bruder der Beklagten zu 1) befindet sich im Maßregelvollzug. In dem streitgegenständlichen Buch stellt die Beklagte zu 1) dar, dass ihr Bruder zu Unrecht im Maßregelvollzug sei und schildert ihren Kampf hiergegen. In dem Werk heißt es unter anderem auf Seite 110 f.:

„Michael ist eines der vielen Opfer der Psychiatrie....

Und es gibt viele „Michaels".

Nehmen wir Holger...

Oder nennen wir Manfred  ...

Und es gibt noch viele, viele mehr: Michaela , Vanessa , Sebastian

.."

Der Klägervertreter vertritt den Kläger auch in Verfahren in Bezug auf seinen Maßregelvollzug. Am 06.10.2016 gab der Klägervertreter anlässlich einer Anhörung im Fall des Klägers ein Interview, das von der XY, deren zweiter Vorsitzender der Klägervertreter ist, aufgezeichnet und veröffentlicht wurde. In diesem Interview werden unter anderem der Name des Klägers sowie der Umstand, dass es sich um eine Anhörung in seinem Verfahren handelt, offenbart. Das Video trägt den Titel „Rechtsanwalt " und ist bei YouTube abrufbar.

Auf YouTube befindet sich weiter ein Video der XY vom 24.10.2015 mit dem Titel „Menschenrechtsverletzungen durch psychiatrische Gutachten

 

 

 

", in dem eine Psychologin aus der Akte des Klägers umfangreich zitiert. Auf dem Video ist zu erkennen, dass der Klägervertreter zwei Stühle neben ihr sitzt.

Der Kläger betreibt einen Musikkanal auf YouTube und ein Profil auf Facebook. Das Video seines Klägervertreters vom 06.10.2016 band der Kläger auch in einem MP3-Album ein (BI. 35 d.A.).

Der Kläger ließ die Beklagten mit Schreiben vom 26.06.2017 und 28.06.2017 erfolglos abmahnen.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagten in unzulässiger Weise seinen Namen offenbarten. Er habe hierin nicht eingewilligt. Es handele sich bei dem Kläger nicht um eine Person des öffentlichen Lebens. Videomitschnitte über öffentliche Veranstaltungen, in denen der Name des Klägers genannt worden sei, beinhalteten kein Einverständnis zur Nennung seiner vollständigen Personaldaten in einem Buchwerk. Die Namensnennung des Klägers stelle keinen Beitrag zur Meinungsbildung dar.

Der Kläger beabsichtigt, gegenüber den beiden Beklagten zu beantragen,

1.   die Beklagten zu verurteilen es — bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel — zu unterlassen,

die nachfolgend wiedergegebene Textstelle „... Und es gibt noch viele, viele mehr: ... ."

- Im Buch „Die schwarze Liste, Nazi-Paragraf* 63 — weggesperrt und weggespritzt

von Bianka Perez" (S. 111) zu drucken bzw. zu veröffentlichen,

- über eigene oder die Internet-Webseiten Dritter, wie „d.de" und „e.de" zu

verbreiten und/oder verbreiten zu lassen sowie

die Rechte hieran an diese Dritten zu lizenzieren und/oder lizensieren,

2.   die Beklagten zu verurteilen, außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von € 887,03 nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2017 zu zahlen.

Die Beklagten sind der Auffassung, dass der Kläger selbst Anlass zu seiner Namensnennung gegeben habe. Er sei selbst mit seinem Fall an die Öffentlichkeit gegangen und habe diese gesucht. Er habe sich als Opfer der Justiz präsentiert lassen, indem er aus seinem schriftlichen Gutachten habe in einem Video zitieren lassen. Die

 

Beklagten hätten lediglich seinen Namen genannt, wie dies bereits in der Öffentlichkeit bekannt sei.

II.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen. Die von dem Kläger beabsichtigte Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§114 ZPO).

Nach § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Der Kläger hat gegen die Beklagten die geltend gemachten Unterlassungsansprüche nicht, insbesondere nicht aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.

Durch die Nennung seines Namens im streitgegenständlichen Buch ist das Persönlichkeitsrecht des Klägers betroffen. Durch die Offenbarung seines Namens legen die Beklagten auch offen, dass sich auch der Kläger im Maßregelvollzug befindet.

Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH NJW 2016, 789 Rn. 20; BGH NJW 2016, 56 Rn. 29; BGH NJW 2014, 2029 Rn. 22; jew. m.w.N.).

Hier ist das Schutzinteresse des Klägers aus Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit dem Recht der Beklagten auf Meinungs- und Pressefreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK abzuwägen.

Diese Abwägung fällt vorliegend zu Lasten des Klägers aus. Hierbei hat die Kammer insbesondere berücksichtigt, dass der Name des Klägers auch ohne Zutun der Beklagten bereits in der Öffentlichkeit bekannt war. Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes ist auch davon auszugehen, dass diese Offenbarung in der Öffentlichkeit nicht ohne oder gegen seinen Willen erfolgt ist. Denn die Nennung seines Namens erfolgte jeweils unter Beteiligung des ihn auch im Übrigen vertretenden Klägervertreters.

4

 

Ferner ist zwischen den Parteien unstreitig geblieben, dass der Kläger selbst eines der hier von der Beklagtenseite angeführten Videos vom Kläger geteilt und damit weiter verbreitet hat.

Durch die Nennung im Buch der Beklagten ist damit zwar offenbart worden, dass der Kläger sich in Maßregelvollzug befindet. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Information, die nicht bereits zuvor vom Kläger selbst in die Öffentlichkeit getragen wurde. Eine darüber hinausgehende Beeinträchtigung des Klägers, die ein Überwiegen der Interessen des Klägers zulasten der Beklagten rechtfertigen würde, liegt insoweit nach Auffassung der Kammer nicht vor. Insbesondere enthält die vom Kläger angegriffene Textpassage keine weiteren Informationen zu seiner Person des Klägers oder zu den Hintergründen seines Verbleibs im Maßregelvollzug.

Soweit der Kläger sich mit den beabsichtigen Anträgen gegen die Verbreitung auf bestimmten Webseiten die Lizenzierung von Rechten an Dritte wendet, ist bereits nicht ersichtlich und vorgetragen, dass die Beklagten eine Verbreitung über die angeführten Webseiten oder eine Lizenzierung an Dritte vorgenommen hätten.

Ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten besteht nicht, nachdem dem Kläger der Hauptanspruch nicht zustand.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 1 GKG, 118 Abs. 1 S. 4 ZPO.

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