Landgericht Würzburg vom 26.07. 2023
Aktenzeichen 2 StVK 836/22
Noch nicht rechtskräftig
Landgericht Würzburg
Abteilung für Strafsachen Az.: 2 StVK 836/22
In dem Strafvollzugsverfahren
- Antragsteller -
Verteidiger:
Rechtsanwältin Henning Hanna, Gießener Straße 6 a, 35410 Hungen, Gz.: 22/00674/HH
gegen
Rupert-Mayer-Klinik.
- Antragsgegnerin -
hier: Antrag auf gerichtliche Entscheidung §§ 109, 138 StVollzG
erlässt das Landgericht Würzburg - Kleine Strafvollstreckungskammer - am 26. Juli 2023 folgenden
Beschluss
Die Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag des Antragstellers auf Bewilligung der Lockerungsstufe B2 voll vom 22.09.2022 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird dazu verpflichtet, über diesen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts neu zu entscheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 500 € festgesetzt.
Gründe:
A.
Der Antragsteller befindet sich im Maßregelvollzug der (Antragsgegnerin).
Er ist dort bereits seit dem 23.01 .2020, zunächst auf Grundlage des § 126a StPO, untergebracht.
Mit Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vorn 31.07.2020. rechtskräftig seit 12.10.2020, wurde die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB angeordnet. Eine Freiheitsstrafe wurde daneben nicht verhängt.
Die Maßregel wird seit Rechtskraft des Urteils in der Rupert-Mayer-Klinik für Forensische Psychiatrie im BKH Lohr am Main vollstreckt.
Der Antragsteller durchlief vom 06.07.2021 bis zum 11 .01 2022 erfolgreich die Lockerungsstufe B2 halb (unbegleiteter Zielausgang mit Rückruf außerhalb des gesicherten Bereichs).
Seit dem 12.01 .2022 befindet er sich in der Lockerungsstufe „B 2 halb" (einmal täglich unbegleiteter Geländeausgang für bis zu 90 Minuten außerhalb des gesicherten Bereichs). Dort führt er sich beanstandungsfrei.
Mit Anträgen vom 12.06.2022, 15.08.2022 und 19.09.2022 beantragte der Antragsteller jeweils erfolglos die Gewährung der Lockerungsstufe ‚.B2 voll" (Freitag bis Sonntag einmal täglich unbegleiteter Geländeausgang bis zu 4 Stunden außerhalb des gesicherten Bereichs; Montag bis Donnerstag einmal täglich unbegleiteter Geländeausgang für bis zu 90 Minuten außerhalb des gesicherten Bereichs),
Mit Schreiben vom 01.10.2022, hier eingegangen am 06.10.2022, hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG beantragt. Er begehrt die ‚gerichtliche Genehmigung" der Lockerungsstufe ‚B2 voll. Er werde auf der Lockerungsstufe „B 2 halb' ohne rechtfertigenden Grund ‚eingefroren', obwohl der Unterschied zu „B2 voll' lediglich darin bestünde, dass er sich am Wochenende bis zu 4 Stunden außerhalb des gesicherten Bereichs auf dem Klinikgelände aufhalten dürfe. Hierdurch würde ihm das Durchlaufen der Lockerungsstufen erschwert und seine Resozialisierung gefährdet. Er habe sich bisher nichts zu Schulden kommen lassen und müsse bereits seit 14 Monaten keine Neuroleptika und Bedarfsmedikation mehr einnehmen.
Die Antragsgegnerin hat zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Schreiben vom 07.11.2022 Stellung genommen. Die Voraussetzungen für weitergehende Vollzugslockerungen nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayMRVG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe ein negatives Selbstkonzept. Er habe hohe Erwartungen an sich selbst und meide aktiv negative Emotionen. Diese Umstände würden ein erhöhtes Stressniveau begünstigen, was den Antragsteller in sozialen Beziehungen misstrauisch werden lasse. Dieses Misstrauen mache den Antragsteller für den Konsum von Amphetamin empfänglicher, was wiederum die Gefahr weiterer florider psychotischer Symptome und weiterer Straftaten erhöhe. Um diese Risikofaktoren bearbeiten zu können, bedürfe es einer akzeptierenden Haltung und einer Verantwortungsübernahme für eigene dysfunktionale Verhaltensweisen. Dies schien zu Beginn des Jahres noch zu gelingen, weshalb eine Höherstufung auf B2 1/2 erfolgt sei, allerdings habe sich der Antragsteller nach Änderung seiner Behandlungsdiagnose wieder stark externalisierend gezeigt. Er sehe die Behandlung mit neuroleptischer Medikation als Grund für seinen horrenden Amphetaminkonsum, sowie den fehlenden Willen der Klinik seine Abhängigkeit zu behandeln als Grund für seine Unterbringung. Er sei nicht psychisch krank, er habe lediglich konsumiert. Zur Vermeidung von Suchtmittelrückfällen und psychotischen Dekompensationen bedürfe es Anspannungs- und Stressregulationsmechanismen. Sport sei hierzu zwar grundsätzlich geeignet, vor dem hohen Leistungsanspruch des Antragstellers jedoch auch kritisch als potentieller Stressor zu sehen. Darüber hinaus werde bezweifelt, das Lesen außerhalb des beschützenden stationären Umfeldes als Mittel zum Abbau von Anspannungen und Stress ausreiche. Zwar zeige sich der Antragsteller bereit alternative Bewältigungsstrategien zu erlernen, allerdings sei eine Anwendung auf Verhaltensebene noch nicht beobachtet worden. Zudem bedürfe es einer weiteren Beobachtung, um beurteilen zu können, inwiefern eine medikamentöse Therapie zur Rückfallprophylaxe erforderlich sei, oder die bestehende Bedarfsmedikation ausreiche. Eine therapeutische Arbeit sei zuletzt nicht mehr möglich gewesen, da der Antragsteller entweder die berufliche Qualifikation seines Therapeuten in Frage gestellt habe oder diesen bezichtigte auf „Anweisung von oben' zu handeln. Es sei ihm nicht möglich, das stockende Fortkommen im Stufenplan auf die fehlende Auseinandersetzung mit den Auslösebedingungen seiner psychotischen Störung und seiner Abhängigkeitserkrankung zurückzuführen. Zwar verhalte sich der Antragsteller auf der Station extrem angepasst und zeige in der Arbeitstherapie ein überdurchschnittliches Leistungsniveau, allerdings bestünde in höheren Lockerungsstufen ein erhöhtes Konsum- und damit Konfliktrisiko.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2022 hat Rechtsanwältin Henning die anwaltliche Vertretung des Antragstellers angezeigt und Akteneinsicht beantragt.
Mit Schriftsatz vom 16.01.2023 hat sie angeregt, das Verfahren mit Blick auf das im Verfahren 1 StVK 96/20 in Auftrag gegebene Prognosegutachten, einstweilig ruhen zu lassen. Beides wurde der Verfahrensbevollmächtigten zur Kenntnis- und Stellungnahme übersandt. Eine Stellungnahme nicht.
Mit Beschluss des Landgerichts Würzburg - Große Strafvollstreckungskammer - vom 14.07.2023 wurde die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Die noch nicht rechtskräftige Entscheidung wurde in Abschrift zur Akte genommen.
Der Antragsteller hat seiner Antragsschrift Abschriften der Teamanträge vom 12.06.2022. 15.08.2022 und 19.09.2022 beigefügt. Die Kammer hat eine Abschrift des Urteils des Landgerichts Aschaffenburg vom 31 .07.2020 zur Akte genommen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 StVollzG auf die zuvor genannten Schriftsätze, Anlagen und beigezogenen Aktenbestandteile verwiesen.
B.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat im tenorierten Umfang vorläufig Erfolg. Der Antragsteller begehrt die gerichtliche Bewilligung der von der Antragsgegnerin (wiederholt) versagten Lockerungsstufe „B2 voll und damit den Erlass einer Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Vollzuges freiheitsentziehender Maßregeln der Besserung und Sicherung [Pollähne in: Kammeier/Pollähne, Maßregelvollzugsrecht, 4. Aufl. 2018, F. 109 Das Maß des Freiheitsentzugs (Vollzugslockerungen)].
Der Antrag ist statthaft. Die §§ 109 bis 121 StVollzG gelten für das gerichtliche Verfahren im Rahmen der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus entsprechend, § 138 Abs. 3 StVollzG. Nach § 109 Abs. 1 S. 2 StVollzG kann mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch die Verpflichtung zum Erlass einer abgelehnten Maßnahme begehrt werden (Verpflichtungsantrag).
Im Übrigen hat der Antragsteller seine Antragsbefugnis hinreichend geltend gemacht, § 109 Abs. 2 StVollzG. Eine rechtswidrige Versagung von Vollzugslockerungen würde einen Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) und damit der Rechte des Antragstellers bedeuten.
Zudem erfolgte der Antrag form- und fristgerecht, § 112 Abs. 1 StVollzG. Zwar ist der Zeitpunkt der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung vom 22.09.2022 nicht mitgeteilt worden, allerdings ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung am 06.10.2022 ein-gegangen, sodass die zweiwöchige Antragsfrist selbst bei schriftlicher Bekanntgabe am 22.09.2023 eingehalten wurde.
Der Antrag erweist sich zudem auch im tenorierten Umfang - zumindest vorläufig - als erfolgreich.
Soweit die Ablehnung der Maßnahme rechtswidrig und der Antragsteller dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Vollzugsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist, § 115 Abs. 4 S. 1 StVollzG. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, § 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG.
Nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayMRVG ist der Vollzug der Unterbringung zu lockern, sobald
1. zu erwarten ist, dass dadurch die Behandlung und die soziale Wiedereingliederung gefördert werden, und
nach allem aus der bisherigen Behandlung gewonnenen Erkenntnissen davon auszugehen ist, dass die untergebrachte Person die ihr eingeräumten Vollzugslockerungen nicht missbrauchen wird.
Liegen die genannten Voraussetzungen vor, hat die untergebrachte Person einen Rechtsanspruch auf die Gewährung verantwortbarer Lockerungsmaßnahmen. Die Anordnung von Lockerungsmaßnahmen liegt somit gerade nicht im Ermessen der Vollzugsbehörde. Will die Vollzugs-behörde Vollzugslockerungen versagen, muss sie anhand konkreter, auf den Einzelfall bezogener, Tatsachen in einer gerichtlich überprüfbaren Weise darlegen, welche der in Art. 16 Abs. 1 S. 1 BayMRVG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen. Diesen Anforderungen genügt die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin bislang nicht.
Die Antragsgegnerin lehnt die begehrte Vollzugslockerung wegen der von ihr befürchteten Missbrauchsgefahren ab, Art. 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayMRVG. Dabei lässt die Antragsgegnerin jedoch nicht erkennen, aufgrund welcher konkreter Tatsachen die mit der Lockerungsstufe „B2 voll' einhergehenden weiteren Lockerungen die Annahme begründen, der Antragsteller werde diese missbrauchen. Der Antragsteller befindet sich in der Lockerungsstufe „B2 halb. Im Rahmen dieser Stufe ist es dem Antragsteller gestattet, sich täglich für bis zu 90 Minuten unbeaufsichtigt außerhalb des geschützten Bereichs auf dem Klinikgelände zu bewegen. In dieser Stufe führt sich der Antragsteller nunmehr seit dem 12.01.2022 beanstandungsfrei. Der Antragsteller begehrt nunmehr die Lockerungsstufe „B2 voll". In dieser Stufe wäre es dem Antragsteller zusätzlich möglich Freitag, Samstag und Sonntag sich bis zu vier Stunden unbeaufsichtigt, außerhalb des geschützten Bereichs auf dem Klinikgelände zu bewegen. Die ihm auf dem Klinikgelände zur Verfügung stehende Zeit würde sich damit an drei Tagen um zweieinhalb Stunden verlängern. Aufgrund welcher Tatsachen damit eine relevante Erhöhung der von ihm ausgehenden Missbrauchsgefahr einhergeht, ist den Ausführungen der Antragsgegnerin nicht zu entnehmen. Zwar trägt sie nachvollziehbar vor, dass aufgrund eines negativen Selbstkonzepts die Gefahr erhöhten Misstrauens in seinen sozialen Beziehungen besteht und dies den Antragsteller für einen erneuten Drogenkonsum empfänglicher macht. Ebenso ist nachvollziehbar. dass hiermit die Gefahr einer erneuten Exazerbation seiner psychischen Erkrankung und die Gefahr weiterer erheblicher Straftaten einhergehen. Es erschließt sich auch, dass diese Problematik einer umfassende therapeutische Behandlung bedarf und dies eine uneingeschränkte Mitwirkung des Antragstellers erfordert. Allerdings erschließt sich der Kammer nicht, inwiefern die bisherigen Lockerungen keine Missbrauchsgefahr zu begründen vermögen, die begehrten dagegen schon. Hier wie dort hält sich der Antragsteller außerhalb des geschützten Bereichs unbeaufsichtigt auf dem Klinikgelände auf. Ein von der Antragsgegnerin aufgrund von fehlenden Behandlungsfortschritten bzw. Behandlungsrückschritten befürchteter Drogenkonsum wäre ebenso in der bisherigen Lockerungsstufe „B2 halb' (zumindest) zeitlich möglich und vermag daher eine Ablehnung der begehrten Lockerungsstufe „B2 voll" nicht zu tragen. Da ein unzureichender Behandlungsstand jedoch grundsätzlich geeignet sein kann eine Missbrauchsgefahr zu begründen, war die Antragsgegnerin nicht zur Vornahme der beantragten Amtshandlung zu verpflichten. § 115 Abs. 4 S. 1 StVollzG. Stattdessen war die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, über den Antrag des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden, § 115 Abs. 4 S. 2 StVollzG.
Hierbei hat die Antragsgegnerin neben den bereits genannten Gesichtspunkten folgende Erwägungen zu beachten:
Die Anordnung einer Lockerung im Maßregelvollzug ist keine Ermessens-entscheidung. Liegen die Voraussetzungen des Art. 16 BayMRVG vor, hat die untergebrachte Person einen Rechtsanspruch auf die Gewährung verantwortbar Lockerungsmaßnahmen. Da es sich bei der Versagung einer Lockerungsmaßnahmen nach richtigem Verständnis um einen Eingriff in Freiheitsrechte und gegebenenfalls um die Verletzung des Resozialisierungsanspruchs handelt, kommen andere als die gesetzlich fixierten Versagungsgründe nicht in Betracht. Insbesondere kann eine Lockerungsversagung nicht damit legitimiert werden, auf Seiten des Untergebrachten solle Therapiewilligkeit hergestellt oder die Einhaltung der Hausordnung erreicht werden. Lockerungen sind kein Disziplinierungsinstrument, sondern ein Instrument der Resozialisierung, von dem Gebrauch zu machen ist, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Benimmt sich die untergebrachte Person im Verlaufe einer Lockerungsmaßnahme anders, als es im Rahmen der Behandlung vereinbart wur¬de, so mag dies therapeutisch relevant sein und entsprechend bearbeitet werden, kann jedoch weder deren Abbruch noch die Verweigerung zukünftiger Lockerungen rechtfertigen, solange hieraus nicht die konkrete Gefahr weiterer erheblicher rechtswidriger Taten folgt.
Der Versagungsgrund, welcher regelmäßig gegen die Anordnung einer Vollzugslockerung spricht und vorliegend möglicherweise einschlägig sein könnte, ist die in Art. 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayMRVG genannte Missbrauchsgefahr. Hierbei handelt es sich um die durch Tatsachen begründete Befürchtung, die untergebrachte Person werde im Verlauf der Lockerungsmaßnahme erhebliche rechtswidrige Taten begehen oder sich der Maßregel entziehen. Eine solche Befürchtung ist durch konkrete Tatsachen zu begründen, die ihrerseits objektiv erweislich sein müssen. Unbewiesene Verdächtigungen reichen ebenso wenig wie der bloße Umstand, dass die untergebrachte Person ihre Verurteilung für unrechtmäßig hält oder die Taten weiterhin leugnet, wenn nicht weitere prognostische Aspekte hinzutreten. Auch mangelnde Offenheit oder Unzuverlässigkeit können nur relevant sein, wenn sich aus einem hinreichend konkreten Verhalten spezifische Anzeichen für die fortbestehende Gefahr der defektbedingten Begehung erheblicher Straftaten ergeben. Die Maßregelvollzugseinrichtung muss ihrer Entscheidung jedenfalls einen richtig und vollständig ermittelten Sachverhalt zugrunde legen und ihr obliegt als Vollzugsbehörde auch die Aufklärungspflicht, gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (wenn dies einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn verspricht). Die Einschätzung der Missbrauchsgefahr erfordert immer konkrete Beurteilungen statt abstrakter Prognosen/Rückfallwahrscheinlichkeiten. Es geht nicht um die abstrakte Gefährlichkeit der Betroffenen, sondern um die konkrete Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten in spezifischen Lockerungssituationen. Bei der Beurteilung der Missbrauchsgefahr ist demnach auch die konkret begehrte Vollzugslockerung mit in den Blick zu nehmen. Bei einem begleiteten Ausgang ist diese stets geringer, als bei einem unbegleiteten. ein kurzfristiges Verlassen der Einrichtung in der Regel mit weniger Risiken behaftet, als längerfristige Abwesenheit. Zudem muss sich die Missbrauchsgefahr auf erhebliche rechtswidrige Taten beziehen. Vollzugslockerungen dürfen demnach nicht wegen der Gefahr geringfügiger Taten versagt werden, die eine Unterbringung nach §§ 63,64 StGB bzw. deren Fortdauer gar nicht begründen könnten. Schließlich muss die Missbrauchsgefahr zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (noch) bestehen, Sofern die Missbrauchsgefahr mit zurückliegenden Verhaltensweisen begründet wird, muss dargelegt werden, aufgrund welcher Umstände davon auszugehen ist, dass von der untergebrachten Person nach wie vor eine Missbrauchsgefahr ausgeht. Je länger die in Rede stehenden Verhaltensweisen zurückliegen, desto sorgfältiger ist das Fortbestehen der Missbrauchsgefahr zu prüfen und zu begründen.
Rechtsanwältin Hanna Henning
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